Gewürze, alle diejenigen Stoffe, die man meist in geringen Mengen den
Speisen und auch den Getränken zusetzt, um sie
schmackhafter
zu machen, zum Teil wohl auch, um die Verdauung zu befördern. Die
Gewürze
stammen heute ausschließlich aus dem Pflanzenreiche. Ihre Wirkung beruht
im wesentlichen auf dem Gehalt an ätherischen
Ölen (s.d.) oder scharfen Stoffen, die den Geschmack und zum Teil
den Wohlgeruch beeinflussen. Die Benutzung der Gewürze hat bei den
zivilisierten
Völkern wesentlich nachgelassen, vor allem ist die Verwendung vieler
Gewürze
an einer Speise sehr zurückgegangen. Auch ist die Auswahl und Verwendung
der Gewürze bei den einzelnen Kulturvölkern sehr verschieden. Die
wichtigsten
Gewürzpflanzen sind fast durchweg sehr alte Kulturpflanzen, und die Gewinnung ihrer
Produkte
ist daher fast allgemein Gegenstand des sorgfältigsten Anbaues. Die
Gewürze
hatten im Altertume und auch noch im Mittelalter einen sehr hohen Wert.
Ihre Herbeischaffung war zweifellos mit eine der Triebfedern, die zum
Aufsuchen des Seeweges nach Ostindien führten. Der Handel mit Gewürzen
spielte dann später in der Geschichte der großen Kolonialmächte,
namentlich
der Holländer, eine recht bedeutsame Rolle. Während die meisten Rohstoffe der Weltwirtschaft im Laufe der Zeiten
neue, zum Teil viel bedeutendere Produktionsgebiete gefunden haben, ist
ein großer Teil der Gewürzkultur heute noch auf die ursprüngliche Heimat
beschränkt, oder aber diese Gebiete liefern wenigstens, immer noch die
größten Mengen der besten Sorten. - Das wichtigste Gewürz der tropischen
Gebiete ist für den Handel immer noch der Pfeffer
(s.d.), der unter den Waren der ersten von den Portugiesen aus Ostindien
heimgebrachten Ladungen mit die bedeutendste Rolle gespielt hat. Er
fehlt
neben dem Salz und dem Senf auf keiner Tafel . Bei der großen Beliebtheit
des
Pfeffers als Gewürz ist es verständlich, daß auch ähnliche Stoffe weite
Verbreitung gefunden haben. Hierher gehört der Cayennepfeffer
(s.d.) und der Piment oder Nelkenpfeffer.
Dieser stammt aus Westindien und besonders von Jamaika und Barbados. Die Stammpflanze ist ein zu den
Myrtengewächsen
gehörender Baum, Pimenta officinalis, der in beschränktem Maße auch
außerhalb
seines natürlichen Verbreitungsgebietes, kultiviert wird. Die
Handelsware
besteht aus den nicht ganz reifen, 5 - 7 mm großen, rundlichen, braunen
- dem Pfeffer nicht ganz unähnlichen -, beerenartigen Früchten, die an
der Spitze einen ringförmigen Wulst haben. Sie werden wegen ihrer
Herkunft
auch Englisch- oder Neugewürz genannt. Im Geschmacke verbinden sie die
Schärfe des Pfeffers mit der Würze der Nelken. Der Piment ist etwa halb
so billig als der - echte Pfeffer. Die in Hamburg eingeführte Menge
betrug
1913 etwa 28 000 dz im Werte von 122 500 M. In gleicher Menge werden
jährlich
Gewürznelken (s.d.) importiert, heute wohl
aber mehr für technische Zwecke denn als Gewürz. Recht bescheiden ist
heute der Bedarf an Muskatnüssen
(s.d.)
und Muskatblüte zu nennen. - Während der echte
Pfeffer, Muskatnuß und Gewürznelken aus dem Sundaarchipel und
Hinterindien
stammen, ist Vorderindien die Heimat von zwei anderen Gewürzen: Kardamom
(s.d.) und Ingwer. Der Kardamom gehört
zu den ingwerartigen Gewächsen und ist mit vielen nahe verwandten Arten
im ganzen Süden Asiens und auf den Inseln sowie in Afrika verbreitet.
Die Handelsware stammt aber allein aus Vorderindien von der Malabarküste
und Ceylon und zwar von Elettaria cardamomum. Es ist eine ausdauernde,
niedrige Blattpflanze, die an kurzen Blütenständen kleine, dreifächrige,
äußerlich dreieckige bis runde Kapseln entwickelt, in denen viele
kleine,
etwas unregelmäßig eckige, runzlige, aromatische Samen liegen. Da es,
wie schon oben angedeutet, viele nahe verwandte Arten gibt, so soll der
Kardamom stets als ganze Frucht gehandelt werden, um eine Verwechslung
mit den sehr ähnlichen Samen anderer Arten zu vermeiden. Nach Hamburg
kommen etwa jährlich 1000 dz im Werte von einer halben Mill. M, last
ausschließlich
aus Britisch - Ostindien. Neben diesem echten Kardamom sind noch aus
Ostindien
zu erwähnen die runden Kardamomen mit
größeren, rundlichen Kapseln und etwas dunkleren Samen (sie kommen zum
Teil auch von Sumatra und den Molukken) und die langen oder Ceylon -
Kardamomen
mit Früchten, die doppelt so lang und schmäler als die echten sind, und
ähnlichen Samen wie den echten. Die afrikanischen Kardamomarten stammen
von anderen Gattungen und haben meist einen etwas höheren, lockeren
Wuchs
und größere, bei manchen Sorten leuchtend rote, etwa zwiebelförmige,
meist
dicht über dem Boden sitzende Früchte. Sie sind im ganzen tropischen
Afrika
verbreitet und werden von den Eingeborenen wegen der erfrischenden
Wirkung
vielfach gekaut. An der Westküste liefert eine Art den sog. Melegetta
- Pfeffer oder die Paradieskörner des Handels, die in
beschränkten
Mengen in der Likörfabrikation Verwendung finden. - Der echte Kardamom
wird in Indien noch vielfach in sog. wilder Kultur gewonnen, d.h. die
Pflanzen werden an ihren natürlichen
Standorten durch Entfernen der umstehenden Gewächse, durch Bearbeitung
und Düngung des Bodens und ev. durch Verringerung des
Schattens gefördert und gepflegt. Vielfach finden sich aber auch schon
sog. Kardamomgärten. Die Pflanzen werden entweder aus Wurzelstöcken an
Ort und Stelle, oder aus Samen in Saatbeeten gezogen. Als Standort wählt
man entweder den ausgedünnten, natürlichen Wald,
oder aber Obstgärten, Betelnußpflanzungen u.a. und setzt immer zwischen
je 4 dieser Schattenspender eine Kardamompflanze in die Mitte. Die
Pflanzen
geben im dritten Jahre die erste kleine Ernte und vom 5. an volle
Erträge.
Die Lebensdauer beträgt etwa 14 - 15 Jahre. Die geernteten Früchte
werden
meist an der Sonne getrocknet. Um eine gute Handelsware zu erzielen, muß
alles vermieden werden, was die Früchte unansehnlich und fleckig macht.
Sie sollen ein gleichmäßiges, strohartiges Aussehen haben. Überreife
Früchte
sind zu vermeiden, da sie leicht aufspringen. - Von der nahe verwandten
Ingwerpflanze (Zingiber officinalis) sind es die unterirdischen
Wurzelstöcke,
die das bekannte Gewürz liefern. Der Ingwer ist wahrscheinlich in
Ostindien
zuhause und hat auch heute noch dort und in China und Japan sein
Hauptproduktionsgebiet.
Trotz seiner allgemeinen Verbreitung durch alle Tropen
liefern doch nur Jamaika und Sierra Leone bescheidene Mengen für den
Weltmarkt.
Nach Hamburg kamen 1913 etwa 8250 dz Rohingwer und zwar 4750 dz aus
Britisch
- Ostindien, 1300 dz aus Japan und 1100 dz aus Westafrika. Die
einjährigen
Wurzelstöcke werden ausgegraben, gewaschen und in verschieden großen
Stücken
entweder gleich getrocknet oder erst geschält und dann getrocknet. Die
etwas flachen Stücke haben ungefähr die Stärke eines Fingers und sind
unregelmäßig gegliedert. In Singapur, Ostasien und auf Hawai wird der
Ingwer frisch mit Sirup eingekocht zu dem sog. kandierten Ingwer und in
den bekannten Töpfen in den Handel
gebracht.
Die Qualität des Ingwers ist je nach der Herkunft sehr verschieden; der
indische gilt als der wertvollste, der westafrikanische bringt meist nur
die halben Preise. Der Anbau des Ingwer verlangt Sorgfalt und Arbeit.
Er gedeiht am besten auf feinem, sandigem Lehm und bei guter Bodenbearbeitung
und reichlichem, gut gerottetem Stalldünger. Man zieht ihn aus kräftigen
Wurzelstücken in Reihen von 40 cm bis 1 m Abstand und in den Reihen mit
etwa 25 cm Zwischenraum. Reichlich Feuchtigkeit,
ev. durch Bewässerung, ist erforderlich. Die Ernte kann mit dem 8.
Monate
beginnen. Ingwer findet in England die vielseitigste Verwendung (Ginger
beer und Ginger bread) und ist eines der wichtigsten Gewürze für die
Likörfabrikation.
Man schreibt ihm besondere, magenstärkende Eigenschaften zu. - Mit Siamingwer
werden die Wurzelstöcke des verwandten Galgant,
Alpinia galanga und A. officanarum, bezeichnet. Sie bestehen aus
fingerstarken,
fast runden, oft unregelmäßig verzweigten, braunen, holzigen,
geringelten
Stücken, die beim Bruch einen angenehmen, aromatischen Geruch zeigen
und,
im Vergleich zum Ingwer, nur einen schwachen brennenden Geschmack. - Die
auch als Farb- und Gerbstoff erwähnenswerte Curcumawurzel (s. Farbstoffe
und Gerbpflanzen) - auch Turmeric oder Gelber Ingwer genannt - gehört ebenfalls in
die Verwandtschaft des Ingwer und
dient in gleicher Weise, wenn auch in beschränktem Maße, als Gewürz. Sie
liefert den Hauptbestandteil des Currypulvers, das zur Herstellung von
Saucen und als Zusatz zu Reis sehr beliebt
ist. Andere Curcuma - Arten liefern ebenfalls aromatische, mehr
oder weniger scharfe Wurzeldrogen, die meist unter dem Namen Zedoaria
bekannt sind.. Die Kultur und Erntebereitung ist bei allen diesen Sorten
von der des Ingwer nicht wesentlich verschieden. Nicht unerwähnt darf
in diesem Zusammenhange der Senf bleiben. Während in früheren .Zeiten
die meist in Europa kultivierten Arten, der weiße und der braune Senf,
das Material zur Herstellung des vielfach noch mit andern Gewürzen
versetzten
Tafelsenfs lieferten, kommen heute die Samen verwandter Arten in
beträchtlichen
Mengen aus Indien als indische Senfsaat in den Handel. Sie sind
jedenfalls.
als Nebenkulturen für manche Gebiete der Kolonien
beachtenswert. - Ebenso muß hier a uf verschiedene Gewürze aus der
Familie
der Doldengewächse, auf Verwandte des Kümmels, Anis und Fenchels
hingewiesen
werden. Es sind dies der römische Kümmel oder die Kuminsaat und der
Koriander.
Beide bevorzugen ein wärmeres Klima und
wären daher als Nebenkulturen für trockene, heiße Gegenden im Auge zu
behalten. Sie kommen zurzeit hauptsächlich aus Marokko und anderen
Gebieten
des Mittelmeeres. Wenn auch bisher umfangreichere Kulturen außerhalb
Europas
und Nordamerikas noch nicht vorhanden sind, so erscheint es doch
wünschenswert,
in diesem Zusammenhange noch auf den Hopfen
wenigstens hinzuweisen, zumal die an erster Stelle stehende deutsche
Bierbrauerei
einen erheblichen Teil ihres Bedarfs im Auslande decken muß. Regen
sich doch schon im englischen Südafrika gewichtige Stimmen, die dem
Hopfenbau
neben Tabak und Mais das Wort
reden. Zunächst nur für den Bedarf der im Lande bereits bestehenden Brauereien, dann aber auch für den Export. - In der ältesten Geschichte der Gewürze
spielt
neben dem Pfeffer der Zimt (s.d.) die wichtigste Rolle. Um seine Herkunft,
seine Gewinnung und seine Eigenschaften hat sich wohl im Altertume und
im Mittelalter der größte Sagenkreis ge. bildet. Auch für die Handels-
und Verkehrsgeschichte der Vorzeit liefert der Zimt bedeutsame
Unterlagen.
-Ist doch der chinesische Zimt weit länger im Abendlande bekannt gewesen
als der heute als Speisegewürz bevorzugte und weit leichter erreichbare
Ceylonzimt. - Schließlich sei hier des Zusammenhangs halber auch kurz
die Vanille (s.d.) erwähnt. Sie ist mit dem Piment und dem Cayennepfeffer eines der wenigen Gewürze,
die uns die Entdeckung der neuen Welt gebracht hat. Sie wird aber wegen
der Lieblichkeit ihres Wohlgeruchs nicht mit Unrecht die Königin der
Gewürze
genannt. Ihre Kultur ist außerhalb ihrer mittelamerikanischen Heimat an
manchen Orten mit Erfolg aufgenommen worden. Es bestätigt sich aber auch
hier das eingangs Gesagte, die beste und wertvollste Sorte kommt immer
noch aus dem ursprünglichen alten Kulturgebiet. - Wenn auch unter den
Gewürzen heute nur noch wenige, wie der Pfeffer, große Stapelartikel
sind,
so ist doch zu beachten, daß. sie unter guten Kulturbedingungen sich
sehr
wohl zu Neben- und Zwischenkulturen eignen, die bei
sorgfältiger
Erntebereitung dem Pflanzer lohnenden Ertrag zu liefern imstande sind
und ihn für die Schwankungen des Marktes seiner Hauptprodukte
widerstandsfähiger
machen.
Literatur: C. Hartwich, Aus der Geschichte der
Gewürze, Apothekerzeitung 1894. - H. N. Rid
ley Spices. Lond. 1912, Macmillan, 450 S.,
15 Abb. - H. J. Wigman Sr., Specerijen, in
K. W. Vangorkom, Oost - Indische Cultures.
Amsterdam (Bussi) 1913, S. 759/884.
Voigt.
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